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Mt pfiffigen Ideen auf Probleme aufmerksam machen
Erstelldatum26.04.2016
Wie sich die Situation für Rollstuhlfahrer darstellt, das wollen Bruno Stratz, der ehrenamtliche Beauftragte für Menschen mit Behinderung für den Landkreis Emmendingen und Esther Weber, die seit einigen Monaten seine Geschäftsstelle im Landratsamt Emmendingen betreut, selbst beim „Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung“ in der letzten Aprilwoche zeigen.
Bahnfahrer kennen das: Beim Zug fahren geht es oft ganz schön eng in den vollen Zügen zu. Wenn dann gar noch in Denzlingen oder Riegel auf Elztalbahn oder Richtung Kaiserstuhl umgestiegen werden muss, kann es auch zeitlich anstrengend werden – erst recht, wenn zum Beispiel noch ein Kinderwagen oder ein Fahrrad mitgenommen wird. Wie sich die Situation für Rollstuhlfahrer darstellt, das wollen Bruno Stratz, der ehrenamtliche Beauftragte für Menschen mit Behinderung für den Landkreis Emmendingen und Esther Weber, die seit einigen Monaten seine Geschäftsstelle im Landratsamt Emmendingen betreut, selbst beim „Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung“ in der letzten Aprilwoche zeigen.
Deshalb steht eine Zugfahrt von Emmendingen über Denzlingen nach Waldkirch auf dem Programm. Bei der Zugfahrt am Mittwoch, 27. April 2016 ab 10:41 Uhr ab Emmendingen mit Umstieg in Denzlingen auf die Elztalbahn soll auch gezeigt werden, ob und wie barrierefrei die Bahnhöfe sind bzw. was verbessert werden könnte. Bevor der Zug um 11:01 Uhr in Waldkirch ankommt, wollen die beiden Rollstuhlfahrer mit den Passanten ins Gespräch kommen und Informationsmaterial verteilen. Die Rückfahrt ist um 12:07 Uhr ab Waldkirch über Denzlingen mit Ankunft um 12:39 Uhr in Emmendingen.
Barrierefreiheit kostet Geld: Darauf soll am Donnerstag, 28. April 2016 bei zwei Aktionen in den Innenstädten von Emmendingen und Waldkirch aufmerksam gemacht werden – mit ungewöhnlichen Mitteln. An die Passanten sollen falsche Fünf-Euro-Scheine verteilt oder ausgelegt werden. Auf der Rückseite stehen Sprüche, die zum Nachdenken über die Situation von Menschen mit Behinderung anregen sollen wie zum Beispiel „Barrierefreiheit kostet Geld“ oder „Behinderung macht arm“. Mit der Aktion wollen die Beteiligten mit Passanten ins Gespräch kommen. Die Aktion ist in Emmendingen am Donnerstag, 28. April 2016 von 10 bis 12 Uhr. Start ist am Behindertenparkplatz bei der Post.
Um 14 Uhr geht diese Aktion in Waldkirch weiter. Dort werden ebenfalls die Fünf-Euro-Scheine verteilt und ausgelegt.
Am Aktionstag soll mit einer pfiffigen Idee auf ein Ärgernis reagiert werden, das Menschen mit Behinderung immer wieder erleben müssen. Die extra ausgeschilderten und reservierten Parkplätze sind von nicht berechtigten Autofahrern belegt, die aus Bequemlichkeit – „ich bin gleich wieder weg“ oder „sieht ja keiner“ – von nicht berechtigten Autofahrern genutzt werden. Deshalb werden in Emmendingen und Waldkirch einige dieser reservierten Parkplätze mit einem provisorischen Schild versehen. Darauf steht: „Sie übernehmen meine Behinderung und ich überlassen Ihnen diesen Parkplatz.“
Die Aktionen zum Protesttag sind eine Veranstaltung des Behindertenbeauftragten des Landkreises Emmendingen und dessen Geschäftsstellenmitarbeiterin, die von der Inklusionsbeauftragten der Stadt Waldkirch und dem Beirat für Menschen mit Behinderung der Stadt Waldkirch sowie auch der Stadt Emmendingen unterstützt werden.
Hintergründe zu den Aktionen
Seit einigen Jahren sind die Rechte von Menschen mit Behinderungen ein viel diskutiertes Thema. Unter dem Schlagwort Inklusion ist die Rede von Barrierefreiheit, Teilhabe und einer Schule für alle. Ideen und Konzepte, die bei den Betroffenen Begeisterung und Hoffnung auslösten. Mittlerweile jedoch ist von der Euphorie nicht mehr viel übrig geblieben. Versprechen werden scheibchenweise zurückgenommen. Viele Menschen mit Behinderungen sind enttäuscht und fühlen sich betrogen.
Warum der falsche 5-Euro-Schein?
Das Spielgeld symbolisiert zweierlei: zum einen die enttäuschten Erwartungen und Hoffnungen von Menschen mit Behinderungen und zum anderen die Bereitschaft, sich einzusetzen für ein selbstbestimmtes Leben und gleichberechtigte Teilhabe.
Europäischer Protesttag, 05. Mai
Der fünfte Mai wurde zum Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung erklärt. Mittlerweile zum 23. Mal finden rund um dieses Datum europaweit Aktionen statt. Ziel des Protesttages ist es, auf die Situation von Menschen mit Behinderungen aufmerksam zu machen und darauf hinzuwirken, die rechtlichen Grundlagen für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen zu schaffen.
Paradigmenwechsel oder Mogelpackung?
Es wird viel geredet über die verbesserte Stellung von Menschen mit Behinderungen. Ein verändertes Verständnis von Behinderung soll geschaffen werden. Behinderung soll nicht mehr als Defizit der betroffenen Person gesehen werden. Vielmehr wird darauf verwiesen, dass eine Behinderung erst in Wechselwirkung mit Barrieren und Vorurteilen des Umfeldes eine gleichberechtigte Teilhabe verwehrt. Leider lassen die Veränderungen auf sich warten. Mittlerweile macht sich Enttäuschung über nicht eingehaltene Versprechen seitens der Regierung breit.
Hohe Erwartungen an die UN-Behindertenrechts-Konvention
Nach der Unterzeichnung der UN-Behindertenrechts- Konvention (UN-BRK) im Jahr 2009 versprachen sich Betroffene wie auch Behindertenverbände tiefgreifende Verbesserungen. Gesprochen wurde von gleichberechtigter Teilhabe, von selbstbestimmtem Leben und von Barrierefreiheit.
Hoffnung auf ein gutes Bundesteilhabegesetz
Um die genannten Veränderungen umzusetzen, haben sich 2013 die Regierungsparteien CDU und SPD im Koalitionsvertrag darauf verständigt, ein Bundesteilhabegesetz zu verfassen.
Mit dem Grundsatz „Nichts über uns – ohne uns“ wurde die kontinuierliche Beteiligung von Menschen mit Behinderungen am Gesetzgebungsprozess betont.Leistungen sollten nicht mehr institutionsbezogen, sondern personenbezogen definiert werden – das heisst weg vom Fürsorgesystem und hin zu einem modernen Teilhaberecht für Menschen mit Behinderungen.
Ernüchterung
Sieben Jahre nach der Unterzeichnung der UN-BRK und mehr als zwei Jahre nach Abschluss des Koalitionsvertrags ist von der Aufbruchstimmung nicht mehr viel zu spüren. Übrig geblieben ist die Sorge, dass das Bundesteilhabegesetz weit hinter den angedachten Veränderungen zurückbleibt. Es gibt sogar Befürchtungen, dass die Neuregelungen für manche zu einer Verschlechterung der Lebenssituation führen könnte.