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Notfall-Workshop im Kreisarchiv Emmendingen
Erstelldatum19.09.2023
Was ist zu tun, wenn es zu einem Wassereinbruch kommt und die Dokumente in Gefahr sind?
Am Archivgut nagt der Zahn der Zeit, manchmal buchstäblich, wenn Mäuse oder Insekten auf der Suche nach Nistmaterial oder Nahrungsquellen auf Amtsbücher oder Aktenkonvolute gestoßen sind. Andere Schadensbilder gehen auf verwendete Materialien oder Produktionsverfahren zurück, zum Beispiel säurehaltige Bestandteile von Tinten und industriell hergestellten Papieren, oder sind Folge von unsachgemäßer Handhabung und Lagerung bei ungünstigen klimatischen Bedingungen.
Diese Phänomene sind bekannt, ihre negativen Auswirkungen lassen sich durch geeignete Maßnahmen verhindern oder zumindest begrenzen. Aber was ist, wenn größere Mengen des Archivguts durch ein plötzlich eintretendes Schadensereignis in Mitleidenschaft gezogen werden? Das Leck eines Heizungsrohrs im Archivmagazin, eindringendes Löschwasser infolge einer Brandbekämpfung, die Flutung der Räume durch Starkregen oder Hochwasser bedeuten eine massive Gefährdung der teils jahrhundertealten Unikate. Feuchtes Papier schimmelt innerhalb weniger Stunden und muss daher umgehend tiefgefroren werden, sonst drohen hohe Folgekosten für die aufwendige Reinigung und Restaurierung. Somit kommt alles auf die schnelle und reibungslose Bergung und Erstversorgung des betroffenen Archivguts an.
Archivarinnen und Archivare müssen für die Erhaltung der ihnen anvertrauten Dokumente Sorge tragen, deshalb muss ein solches Szenario geübt werden, damit im Ernstfall jeder Handgriff sitzt. Daher hat das Kreisarchiv Emmendingen einen Notfall-Workshop unter fachkundiger Leitung der Diplomrestauratorin Anna Coulon aus Emmendingen ausgerichtet. Die zwölf Teilnehmenden aus den Verwaltungen des Landkreises Emmendingen und des Schwarzwald-Baar-Kreises, den Stadtverwaltungen von Emmendingen und Waldkirch, dem Gemeindeverwaltungsverband Nördlicher Kaiserstuhl und dem Deutschen Tagebucharchiv in Emmendingen machten sich zunächst mit den theoretischen Grundlagen der Notfallbewältigung vertraut. Danach wurde in kleinen Teams der richtige Umgang mit Unterlagen geübt, die 24 Stunden in Wasser lagen. Im durchnässtem Zustand verdoppelt sich das Gewicht von Papier. Es wird instabil, die Fasern quellen auf, die Leimung löst sich, Seiten verkleben. Die Unterlagen müssen schonend in Folie eingeschlagen werden, damit sie nicht aneinanderkleben, wobei man Bände zuvor mit Mullbinden oder Packpapier fixiert, um die Deformierung des Buchblocks zu verhindern. Anschließend werden sie in kleinen Paketen auf Paletten gestapelt, bereit für den Abtransport in ein Tiefkühllager. Ab da übernehmen Dienstleister die weiteren Arbeitsschritte, die Vakuum-Gefriertrocknung sowie bei Bedarf Restaurierungsmaßnahmen, mit dem Ziel, die Archivalien wieder benutzbar zu machen.
Ausrüstung und Material für die Notfallübung wurden durch das Kreisarchiv Emmendingen gestellt. Dort steht eine Notfallbox bereit, welche die erforderlichen Utensilien wie Schutzanzüge, Einweghandschuhe, Schürzen, Akku-Strahler, Wasserbarrieren und saugfähige Tücher, Folie und verschließbare Beutel in verschiedenen Größen enthält. Bei der Übung wurde natürlich kein echtes Archivgut verwendet, sondern Akten-Dummys und ausgesonderte Bücher. Dennoch konnten die Teilnehmenden einen realistischen Eindruck von den notwendigen Abläufen gewinnen, um für eventuelle Einsätze bestmöglich vorbereitet zu sein.