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Kleindenkmal: Wasserhochbehälter in Riegel
Steckbrief
Gemeinde: Riegel am Kaiserstuhl
Gemarkung: Riegel am Kaiserstuhl
Standort: Am Michaelsberg
Typ: Wasserhochbehälter mit Wappenstein
Beschreibung:
Fassade des Wasserhochbehälters mit Schichtenmauerwerk aus Riegeler Kalkstein mit Abdeckung und Zierelementen sowie Gesims, Türsturz und Türpfosten aus Sandstein. Über dem Eingang ovale Kartusche aus Sandstein mit der Inschrift „Wasserwerk / Riegel / Erbaut anno domini / 1908“, darüber Wappenstein aus Sandstein mit dem Gemeindewappen. Entworfen von dem Architekten Julius von der Ohe.
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Wasserhochbehälter mit Wappenstein in Riegel am Kaiserstuhl
Wasserversorgung in Riegel
Nachdem die größeren und mittleren Städte des Großherzogtums Baden öffentliche Wasserversorgungssysteme eingerichtet hatten, wurde die Entwicklung seit den 1870er-Jahren auch in den kleineren Städten und Gemeinden vorangetrieben. Noch um 1900 gab es in Riegel lediglich einen öffentlichen Brunnen, in den meisten Häusern lieferten Privatbrunnen Wasser. Zur Verbesserung der Wasserversorgung der Bevölkerung erarbeitete die Großherzogliche Kulturinspektion Freiburg ein Konzept für die Gewinnung von Grundwasser mittels Wasserkraftanlage und Pumpwerk. Bohrungen nach Grundwasser an der Endinger Straße erwiesen sich als unergiebig, daher legte man den Tiefbrunnen östlich der Elz zwischen der Leopoldstraße und der Trasse der Kaiserstuhlbahn an. Die beiden Pumpen, die das Grundwasser förderten, wurden mit Wasserkraft betrieben. Da der Kanal auch eine Wiesenwässerungsanlage bediente, waren zwei elektrische Motoren als Reserve bei Wasserknappheit vorgesehen.
Die Hauptleitung führte unter dem Flussbett hindurch zum Wasserhochbehälter am Hang des Michaelsbergs. Von dort aus speiste eine Druckleitung das Rohrnetz. Hauseigentümer konnten auf eigene Kosten ihre Anwesen an die öffentliche Wasserleitung anschließen lassen. Die Zuleitungen mussten aus Gusseisen gefertigt sein, Bleirohre durften aufgrund der gesundheitsschädlichen Eigenschaften des Materials nicht verwendet werden. Als der Wasserdruck für die Versorgung der Gebäude in der Bergstraße nicht mehr ausreichte, wurde der Hochbehälter 1983 stillgelegt und in der Nähe ein neuer, höhergelegener errichtet. Das Pumpwerk ist noch in Betrieb, doch hat die moderne Technik längst die alten Wasserturbinen ersetzt. Der Kanal ist zugeschüttet worden, ein neuer Tiefbrunnen musste gebohrt werden. Auch der überwiegende Teil des Leitungsnetzes wurde zwischenzeitlich erneuert.
Die Entwürfe für das Pumpwerk und den Wasserhochbehälter fertigte Julius von der Ohe an, einer der Architekten der Brauerei Meyer & Söhne. In ihrem Auftrag entstanden in Riegel und Umgebung mehrere Bauten, welche die historistische Formensprache des Brauereigebäudes aufgriffen und so einen eigenen Stil prägten. Darüber hinaus ließ Brauereidirektor Ernst Meyer, der selbst Mitglied des Gemeinderats war, die Gemeindeverwaltung durch das Bauplanungsbüro seines Unternehmens in Fragen der Ortsverschönerung beraten. Der Wasserhochbehälter ist in den Hang des Michaelsbergs gebaut. Er besteht aus zwei Kammern und hat ein Fassungsvermögen von insgesamt 300 m³. Dieser Betonkonstruktion ist eine Fassade aus Schichtenmauerwerk vorgeblendet. Den dafür verwendeten Kalkstein lieferte der Steinbruch der Brauerei. Über dem Eingang ist eine ovale Kartusche aus Sandstein mit der Inschrift „Wasserwerk / Riegel / Erbaut anno domini / 1908“ angebracht. Unterhalb des Giebels befindet sich das Gemeindewappen aus Sandstein, der Kopf eines Mannes mit Stirnbinde. Auch auf der Fassade des Pumpwerks prangt das Gemeindewappen und eine Inschriftentafel aus Sandstein mit Baujahr.
Gemeindewappen
Die Darstellung des Wappens auf den beiden Bauten weicht von dem offiziellen, 1895 festgelegten Wappenbild ab, das den mit einem Lorbeerkranz geschmückten Kopf eines Mannes im Profil zeigt und auf die römische Siedlung Bezug nimmt, die sich aus dem um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. angelegten Militärlager entwickelt hat. Zwar orientiert sich das moderne Wappen an dem seit 1527 nachweisbaren Gerichtssiegel von Riegel, doch dürfte es sich dabei um eine Umdeutung des ursprünglichen Siegelbilds handeln, das entweder die heraldische Figur des „Heidenkopfs“ oder des „Mohren“ darstellt. Denn Träger von Wappen, auf welchen nach dem Vorbild antiker Münzen ein Männerkopf mit Diadem abgebildet ist, weisen in der Regel einen engen Bezug zum Königtum auf. Die heraldische Figur des Heidenkopfs zeigt einen Mann mit markantem Bart und spitzer Mütze wie bei dem Wappen Heidenheims als Bestandteil des Wappens, das die Herzöge von Württemberg im 18. Jahrhundert führten. Das älteste nachweisbare Gerichtssiegel der Gemeinde stammt aus dem ersten Drittel des 16. Jahrhunderts und zeigt eine Büste. Die wenigen erhaltenen Exemplare sind abgegriffen und weisen Fehlstellen auf. Eine an eine Zipfelmütze erinnernde Kopfbedeckung und Strukturen im Kinnbereich, die auf einen Bart hindeuten, entsprechen der Darstellung des Heidenkopfs. Auf dem seit dem 17. Jahrhundert verwendeten Siegel ist hingegen das Profil eines bartlosen Mannes mit lockigem Haar zu erkennen, der eine Stirnbinde mit flatternden Enden trägt. Das Wappenbild ist auch auf mehreren Grenzsteinen aus dem 18. Jahrhundert zu sehen.
Diese heraldische Figur wird häufig mit dem heiligen Mauritius in Verbindung gebracht. Die Legende von dem Märtyrertod der thebäischen Legion und ihres Hauptmanns Mauritius um 300 n. Chr. wurde um die Mitte des 5. Jahrhunderts aufgezeichnet. Die aus der Gegend um Theben in Ägypten stammenden christlichen Soldaten sollen aufgrund ihrer Weigerung, den Göttern zu opfern bzw. gegen Christen zu kämpfen, auf Befehl des römischen Kaisers Maximian ermordet worden sein. Als man nach der Auffindung der Gebeine im heutigen Saint-Maurice, Kanton Wallis, eine Kirche errichtete, sollen sich Wunder ereignet haben. Der Mauritiuskult verbreitete sich rasch. Reliquien des Heiligen erwarb auch das Kloster Einsiedeln, das im Mittelalter die Ortsherrschaft in Riegel besaß. Ende des 15. Jahrhunderts veräußerte das Kloster seine letzten Rechte in Riegel. Aufgrund der zeitlichen Distanz ist es fraglich, ob die Mauritiusverehrung in Einsiedeln die Gestaltung des Riegeler Wappens direkt beeinflusste. Oft wurde das Wappen der Herrschaft von den Gemeinden übernommen und in Form eines gespaltenen Schildes mit dem eigenen Ortszeichen kombiniert. Für Riegel war das nicht praktikabel, da sich seit dem Spätmittelalter als Folge von Erbschaften und Besitzveräußerungen mehrere Partien die Herrschaftsrechte teilten.
Darstellungen des heiligen Mauritius mit dunkler Hautfarbe begegnet man seit Mitte des 13. Jahrhunderts zunächst im Umfeld des Erzbistums Magdeburg im Rahmen der Missionierung der Slawen. Als zum Christentum bekehrter Heide kam ihm eine Vorbildfunktion zu, gleichzeitig repräsentierte er den universalen Anspruch der Kirche. Dass es Bezüge zwischen Mauritius und der Wappenfigur des „Mohren“ gibt, deren älteste Abbildungen in das 14. Jahrhundert zurückreichen, zeigt das Beispiel der Stadt Coburg mit der Morizkirche, die dem Heiligen geweiht ist. In anderen Fällen korrespondiert die Figur des „Mohren“ oder ihr weibliches Pendant mit Orts- oder Familiennamen. Auch die Verehrung der Heiligen Drei Könige konnte sich in der Wahl dieser Wappenfigur ausdrücken.
Vormoderne Wappenfiguren bilden Stereotypen ab. Einige wirken heute in ihrer karikaturhaften Anmutung befremdlich oder gar wie bei dem „Heiden“ und „Mohren“, noch dazu in Kombination mit der heraldischen Terminologie, diskriminierend und rassistisch. Dieser Aspekt spielte bereits 1895 eine Rolle, als seitens des Generallandesarchivs Karlsruhe, der für Wappenfragen zuständigen Behörde, die „arge Karikatur“ des als Heidenkopf identifizierten Gemeindewappens moniert wurde. Man entwarf „nach dem Muster einer römischen Münze einen antiken Kopf mit Lorbeerkranz“ als neues Wappen für Riegel. Einen lorbeerbekränzten Römerkopf verwandte auch die Brauerei Meyer als Warenzeichen für ihr Bier.
Quellen und Literatur:
Gemeindearchiv Riegel, Rechnung Wasserleitungsbau 1908/1909; Akte VIII.1, Nr. 9; Plan des Sammelbehälters vom Juni 1908; Foto des Wasserhochbehälters vom Februar 1909.
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Interview mit Herrn Axel Ringswald, Leiter des Bauhofs Riegel, am 06.08.2020.
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