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Burg Kirnberg
Historischer Überblick
In einem Güterverzeichnis des Klosters Sankt Peter, dem sogenannten Rotulus Sanpetrinus, wird zum Jahr 1203 ein „castrum Chornberc“ erwähnt. Diesen befestigten Platz bezog man früher auf die auf dem Kirnberg oberhalb des Dorfs Bleichheim gelegene Burg und datierte den Bau der Anlage in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts. Vermutlich war damit jedoch der sogenannte Kastenbuck unterhalb der Burganlage gemeint, der als Kornspeicher für die Besitzungen des elsässischen Klosters Andlau im Breisgau gedient haben könnte. Vögte des Klosters waren die Herren von Üsenberg, die späteren Gründer der Stadt Kenzingen, die 1219 im Besitz der Burg Kirnberg waren, wie eine dort ausgestellte Urkunde Rudolfs I. von Üsenberg belegt. Vermutlich hatte die Adelsfamilie die Burg zum Schutz der Klostergüter errichten lassen.
Zu Beginn der 1290er-Jahre nahm die Familie eine Herrschaftsteilung vor, Rudolf III. von Üsenberg erhielt die Untere oder Niedere Herrschaft Üsenberg mit Kenzingen und der Burg Kirnberg. Zu einem unbekannten Zeitpunkt wurde die Herrschaft den Habsburgern zu Lehen aufgetragen, denn Herzog Albrecht II. von Österreich belehnte im Jahr 1343 Friedrich von Üsenberg unter anderem mit der Stadt Kenzingen, der Burg Kirnberg und dem Dorf Bleichheim. 1352 verpfändete Friedrich die Niedere Herrschaft Üsenberg dem Markgrafen Heinrich IV. von Hachberg, seinem Schwager, und verlieh sie ihm als Lehen. Die Stadt Freiburg unterstützte den Markgrafen mit einem Kredit und erhielt dafür das Öffnungsrecht für die befestigten Plätze Kenzingen, Burg Kirnberg und Hochburg im Kriegsfall. Der Markgraf trieb damals seinerseits mit militärischen Mitteln Ausstände bei Herzog Albrecht ein. Als Friedrich von Üsenberg bald darauf starb, fielen seine Lehen an die jeweiligen Lehensherren zurück. Wie Markgraf Heinrich später erklärte, verweigerte Herzog Albrecht ihm die Belehnung mit den üsenbergischen Gütern. In dieser Situation schlossen Heinrich und seine Frau Anna von Üsenberg im Juli 1356 ein Abkommen mit der Stadt Freiburg, der sie Kenzingen und die Burg Kirnberg öffneten. Im folgenden Jahr ließ der Herzog Klage vor dem Gericht der Lehensmannen gegen Heinrich erheben, das ihm im Januar 1358 die Herrschaft Kirnberg und Kenzingen aberkannte. Der Markgraf konnte sich vorerst im Besitz der umstrittenen Güter behaupten, wurde aber 1360 von Herzog Rudolf IV. von Österreich, Sohn Herzog Albrechts, vor dem kaiserlichen Hofgericht angeklagt, das zuletzt die Reichsacht über ihn verhängte. Der Ausgleich erfolgte im Jahr 1370. Markgraf Heinrich und seine Söhne waren bereit, gegen eine Abfindung auf Kenzingen und die Burg Kirnberg zu verzichten. Während die Stadt damals in den Besitz der Habsburger überging, befand sich die Burg noch im Jahr 1372 in der Gewalt der Hachberger.
In der Folgezeit diente die Burg Kirnberg den Habsburgern als Pfandobjekt und wurde unter anderem Martin Malterer versetzt, der aus einer zu Reichtum gelangten Freiburger Familie stammte und dessen Schwester Elisabeth den Markgrafen Otto von Hachberg, Sohn Heinrichs IV., geheiratet hatte. Hierbei behielten sich die Herzöge das Öffnungsrecht vor, um bei Bedarf eine Mannschaft auf eigene Kosten dort stationieren zu können. 1422 verpfändete Herzog Ernst von Österreich die Burg wohl auch auf Veranlassung König Sigmunds an den Reichserbkämmerer Konrad von Weinsberg mit der Auflage, sie nur an Standesgenossen, nicht an einen anderen Fürsten zu veräußern. Dass Konrad bereits im folgenden Jahr die Burg Kirnberg zusammen mit Kenzingen der Stadt Straßburg überließ, die so ihre Machtstellung am Oberrhein weiter ausbauen konnte, genehmigte der Herzog nachträglich.
Tatsächlich verblieben die Straßburger fast ein Jahrhundert im Pfandbesitz der Burg Kirnberg und der Stadt Kenzingen. Versuche des Markgrafen Wilhelm von Hachberg-Rötteln, elsässischer Landvogt König Friedrichs III. aus dem Haus Habsburg, im Jahr 1442 und des Hans von Rechberg, acht Jahre später, das Pfandobjekt an sich zu bringen, scheiterten. Erst im Jahr 1515 erfolgte die Auslösung durch den schwäbischen Adligen Wolf von Hürnheim, der kurz zuvor zum Rat Kaiser Maximilians I. ernannt worden war. Drei Jahre später wandte sich der Pfandbesitzer an die Stadt Freiburg und bat um die Entsendung eines Fachmanns, der die mittlerweile baufällige Burg begutachten sollte. Sein Sohn Wolf Philipp beabsichtigte im Jahr 1537, die Herrschaft Kirnberg und Kenzingen den Herren von Sickingen zu überlassen, doch scheiterte der Plan am Widerstand der Stadt Kenzingen, die sich ihrerseits die Pfandschaft übertragen ließ. 1543 übernahm der kaiserliche Rat Hans Baumgartner von Baumgarten die Pfandschaft, ein Augsburger Kaufmann und Kreditgeber der Habsburger, der einige Jahre zuvor in den Freiherrenstand erhoben worden war. 1564 erfolgte die Auslösung, seither unterstanden die Stadt Kenzingen und die Burg Kirnberg unmittelbar der Landesherrschaft. Es wird vermutet, dass die Burganlage im Dreißigjährigen Krieg endgültig zerstört worden ist, als Kenzingen 1638 von Herzog Bernhard von Weimar eingenommen und geschleift wurde.
Durch den Frieden von Pressburg vom 26. Dezember 1805 fiel der vorderösterreichische Breisgau und mit ihm Kenzingen und die Burg Kirnberg an das spätere Großherzogtum Baden. In den 1970er-Jahren entstand die „Schutzaktion Kirnburg“, die sich für die Instandhaltung der Anlage engagierte. Damals ließ das Staatliche Hochbauamt mehrjährige Sanierungsmaßnahmen durchführen, wobei Teile der Bausubstanz ergänzt worden sind.
Baugeschichtlicher Überblick
(Die Zahlen in Klammern finden sich auf dem Grundrissplan wieder.)
Die Kirnburg (auch: Burg Kirnberg) liegt auf einem Bergsporn über dem unteren Bleichtal. Südlich vorgelagert sind zwei durch Abschnittsgräben gesicherte Vorburgareale (1; Vorburg), die in den späteren Phasen der Befestigung scheinbar nicht mehr genutzt wurden. Ein heute teilweise verfüllter Halsgraben (2) trennt die Vorburg von der eigentlichen Anlage, die im Osten, Süden und wohl auch Westen zusätzlich von einem Wall (12./13. Jahrhundert) umgeben war.
Auf einem Felsen, der höchsten Stelle im Süden des Burgareals befindet sich der Rest des ehemaligen Bergfrieds (3; spätes 12. Jahrhundert/um 1200), ein quadratischer Turm mit Seitenlängen von 10x10 m und mehr als 1 m starken Mauern. Der Sockel besteht aus glatten Sandsteinblöcken, das Aufgehende aus Buckelquadern. Direkt an den Bergfried schließt sich der Überrest einer ursprünglich ca. 2 m starken Schildmauer (4; spätes 12. Jahrhundert/um 1200) an. Die Kombination Bergfried-Schildmauer diente zum Schutz der Burg von der flacheren Bergseite her.
Nördlich, in etwas tieferer Lage, grenzt der Palas (5; spätes 12. Jahrhundert/um 1200) an den Bergfried-Schildmauer-Komplex an. Das etwa 2 m starke Mauerwerk setzt sich aus Bruchsteinen und Buckelquadern zusammen; wie Funde von Steinen mit Anhaftungen zeigen, waren die Wände verputzt. Drei Wände sind mit jeweils zwei bzw. drei Fensteröffnungen (Rundbogenfenstern) versehen. Konsolsteine im Innern deuten auf ein Obergeschoss. Der Zugang zur Oberburg erfolgt heute über ein restauriertes Tor in der Westfront des Gebäudekomplexes. Dieser Eingang führte in einen dem Palas angeschlossenen Raum oder Hof (6).
Nach Westen und Nordwesten schließen sich in tieferer Lage weitere Baulichkeiten der Unterburg (7) an (13./14. Jahrhundert, mit Umbauten 16. Jahrhundert). Darunter eine in Resten erhaltene und an manchen Stellen bis zu 4 m hohe Umfassungsmauer (8) ohne Krone. Dieser Mauer sind weitere Gebäuderuinen (9) an- und vorgelagert, die in das 13.-16. Jahrhundert datiert werden.
Exkurs Kastenbuck: Unterhalb der Kirnburg am Hang befinden sich die Reste einer weiteren Befestigung, die durch einen Wall in zwei Bereiche gegliedert ist: Dem südlich höher gelegenen mottenartigen Hügel (Höhe 8 m, Durchmesser 25 m, Motte) ist ein Graben vorgelagert (heute der Wirtschaftsweg). Auch im Osten und Westen ist die Anlage von Gräben umgeben, im Norden hingegen bildet eine nachträglich übersteilte Hangkante den Abschluss. Mauerreste sind nicht erhalten. Nördlich unterhalb des Hügels, auf einer breiten Terrasse, liegen die noch bis zu 1 m hohen Reste eines Gebäudes (10 x 20 m). Der Zugang erfolgte von Norden. Die Entstehungszeit der Anlage ist aufgrund der Bauweise im 12./13. Jahrhundert zu vermuten. Die ehemalige Funktion ist bis heute unklar. Möglicherweise handelt es sich bei der Befestigung Kastenbuck um die Vorgängeranlage der um etwa 1200 entstandenen Kirnburg, was aufgrund der topographischen Lage jedoch kritisch hinterfragt werden sollte. Neueren Interpretationen zufolge könnte es sich auch um den Rest eines befestigten Kornspeichers für Abgaben an das Kloster Andlau handeln, das u. a. in Kenzingen und Herbolzheim Besitzungen hatte.
Literatur
Andrae-Rau, Ansel-Mareike: Beobachtungen zur Burgen- und Städtepolitik der Herren von Üsenberg im 13. Jahrhundert, in: Das Markgräflerland 2 (2003). Burgen, Märkte, kleine Städte. Mittelalterliche Herrschaftsbildung am südlichen Oberrhein. Tagung des Historischen Seminars Abteilung Landesgeschichte an der Universität Freiburg und der Stadt Neuenburg am Rhein 11. und 12. Oktober 2002, Schopfheim 2003, S. 112-129.
Andrae-Rau, Ansel-Mareike: Burg und Dorf Kenzingen und die Kürnburg bis zum 13. Jahrhundert, in: Jürgen Treffeisen, Reinhold Hämmerle, Gerhard A. Auer (Hrsg.): Die Geschichte der Stadt Kenzingen, Bd. 1, Kenzingen 1998, S. 23-44.
Bender, Helmut, Knappe, Karl-Bernhard, Wilke, Klauspeter: Burgen im südlichen Baden, Freiburg im Breisgau 1979, S. 90-93.
Göhri, Josef F.: Auf den Spuren einer Burg. Die Kirnburg im Bleichtal, in: s’Eige zeige, Jahrbuch des Landkreises Emmendingen für Kultur und Geschichte 1 (1987), S. 15-26.
Haasis-Berner, Andreas, Jenisch, Bertram: Frühe Burgen in Südbaden, in: Neues zur Burgenerfassung und Burgenforschung in Baden-Württemberg. Beiträge der Tagung in Esslingen am Neckar, 10. bis 12. November 2016, Europäisches Correspondenzblatt für interdisziplinäre Castellogie Bd. 4, Marburg a. d. Lahn 2018, S. 111-135.
Hillenbrand, Peter: Bestandssicherung der Kirnburg. Ein Zwischenbericht, in: Denkmalpflege in Baden-Württemberg 9 (1980), S. 32-33.
Jenisch, Bertram: Das sogenannte Kastenschlössle bei der Kirnburg, in: Die Pforte 21./22./23 (2001-2003), S. 192-195.
Knappe, Karl-Bernhard: Die Kirnburg. Anmerkungen zu Geschichte und Gegenwart eines Baudenkmals, in: Die Pforte 3 (1983), S. 24-37.
Müller, Patrik: Bald neues Leben in altem Gemäuer?, in: Badische Zeitung 09.08.2003.
Müller, Patrik: Baubeginn war später als gedacht, in: Badische Zeitung 15.05.2021.
Müller, Patrik: „Sie ist ein bisschen von der Bildfläche verschwunden“, in: Badische Zeitung 01.06.2019.
Person-Weber, Gerlinde, Andrae-Rau, Ansel-Mareike, Jenisch, Bertram: Bleichheim (Herbolzheim, EM), in: Zettler, Alfons, Zotz, Thomas (Hrsg.): Die Burgen im mittelalterlichen Breisgau, I. Nördlicher Teil, Halbband A-K, Ostfildern 2003, S. 29-37.
Puchner, Otto: Baumgartner, Hans in: Neue Deutsche Biographie 1 (1953), S. 663-664.
Speck, Dieter: Kenzingen und Kirnburg als Pfandschaft der Herren von Hürnheim, in: Die Pforte 14/15 (1995), S. 4-13.
Speck, Dieter: Kenzingen und Kürnberg. Stadt und Herrschaft in vorderösterreichischer Zeit (1369-1803/06), in: Jürgen Treffeisen, Reinhold Hämmerle, Gerhard A. Auer (Hrsg.): Die Geschichte der Stadt Kenzingen, Bd. 1, Kenzingen 1998, S. 135-178.
Speck, Dieter: Wolf von Hürnheim – Pfandherr von Kenzingen und Kirnburg, in: Jürgen Treffeisen, Reinhold Hämmerle, Gerhard A. Auer (Hrsg.): Die Geschichte der Stadt Kenzingen, Bd. 2, Kenzingen 1999, S. 409-416.
Treffeisen, Jürgen: Kenzingen als mittelalterliche Stadt (1249-1520), in: Jürgen Treffeisen, Reinhold Hämmerle, Gerhard A. Auer (Hrsg.): Die Geschichte der Stadt Kenzingen, Bd. 1, Kenzingen 1998, S. 45-78.
Wagner, Heiko: Burgenführer Oberrhein. 66 Burgen von Karlsruhe bis Basel, Stuttgart 2003, S. 84-85.
Wagner, Heiko: Kirnburg, in: EBIDAT – Die Burgendatenbank.
Weiterführende Informationen: https://www.kirnburg.de/