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Kleindenkmal: Wegkreuz in Reute
Steckbrief
Gemeinde: Reute
Gemarkung: Reute
Standort: Kreuzung Emmendinger Straße / Herrenweg
Typ: Wegkreuz
Beschreibung:
Wegkreuz aus rotem Sandstein auf volutenförmigem Sockel und auskragender Abdeckplatte mit monochromem Corpus und INRI-Fahne am Kreuzstamm sowie Marienstatuette am Fuß des Kreuzes. Eingetieftes Inschriftfeld auf der Sockelvorderseite mit eingemeißelter Inschrift:
Betracht O Christ / hier des Erlösers Schmerz / und laß die Sünde / niemals in dein Herz. / Anno / 1857.
Maße: Gesamthöhe ca. 4,70 m, Corpus ca. 1,40 m, Querbalken des Kreuzes ca. 1,30 m
Weitere Infos zum Kleindenkmal
Wegkreuz in Reute
An der Kreuzung von Emmendinger Straße und Herrenweg in Reute wurde 1857 ein großes Wegkreuz aus rotem Sandstein errichtet. Durch wen und zu welchem Anlass die Stiftung des Kreuzes erfolgte, ist nicht bekannt. Aufgrund von Straßenbaumaßnahmen musste es um einige Meter versetzt werden. Die beiden Sandsteinfiguren wurden zwischenzeitlich durch Kopien ersetzt, die durch Witterungseinflüsse beschädigten Originale werden im Heimatmuseum Reute aufbewahrt.
Die Motive für die Aufstellung von Flurkreuzen aus Stein, Holz oder Metall sind vielfältig: Votivkreuze gehen auf Gelübde zurück und verleihen der Dankbarkeit für die Abwendung einer Gefahr oder die Rettung aus einer Notlage Ausdruck, Gedenkkreuze erinnern an Unfälle oder Verbrechen. Variantenreich ist auch die Formensprache, die vom schmucklosen Kreuz ohne Corpus bis zu aufwendigen Darstellungen der Kreuzigungsgruppe oder der Leidenswerkzeuge (sogenannte Arma-Christi-Kreuze) reicht. Manche Kreuze sind mit Überdachungen als Wetterschutz ausgestattet, viele weisen Inschriften auf. Meist sind die Bildhauer unbekannt. Wegkreuze als Ausdruck der ländlichen Volksfrömmigkeit sind in katholischen Gebieten sehr verbreitet und stehen oft an alten Wallfahrts- oder Prozessionswegen, an Kreuzungen und auf Anhöhen. Sie laden die Vorbeigehenden zur Andacht ein und dienen als Wegmarkierungen. In Reute passierte der Prozessionszug an Christi Himmelfahrt auf seiner Route von der Pfarrkirche St. Felix und Regula über die Straße Hinter den Eichen und die Möslestraße, entlang des Herrenwegs bis zur Kapelle Im Gems mehrere solcher Wegkreuze. Dass ihnen neben der religiösen Funktion auch eine politische Dimension zukommt, ist heute kaum noch bekannt.
Gegenreformation und Aufklärung
Als Reaktion auf die Reformation zeigte die katholische Kirche seit dem 16. Jahrhundert verstärkt Präsenz im öffentlichen Raum. Es wurden vermehrt Andachtsstätten wie Wegkreuze, Bildstöcke und Wegkapellen errichtet sowie Prozessionen und Wallfahrten durchgeführt. Mit barocker Prachtentfaltung sollten Glaubensinhalte auf emotionaler Ebene vermittelt und mit den Sinnen erfahrbar werden. Im Zuge der Aufklärung wurde das Verhältnis von Staat und Kirche neu definiert. Die Reformen Kaiser Josephs II. in den 1780er-Jahren zielten auf Ausdehnung der staatlichen Souveränität auf die Kirche, Glaubensfreiheit, Reduktion der Feiertage und Einschränkung populärreligiöser Praktiken wie Wallfahrten, Prozessionen und Heiligenkult. Auch in Vorderösterreich zeigten sich die Auswirkungen dieser Kirchenpolitik, die Universitätsstadt Freiburg entwickelte sich zu einem Zentrum der katholischen Aufklärung im Südwesten. Das Staatskirchensystem wurde im Großherzogtum Baden unter dem protestantischen Landesherrn beibehalten. Ignaz Heinrich von Wessenberg, seit 1802 Generalvikar des Bistums Konstanz, seit 1817 Bistumsverweser und ein dezidierter Vertreter der katholischen Aufklärung, verfolgte ein Reform- und Bildungsprogramm, das die Gläubigen zu eigenverantwortlichem, reflektiertem und aktivem Handeln führen sollte. Die Gottesdienste wurden in deutscher statt lateinischer Sprache gehalten, die Predigt aufgewertet und volkstümliche Frömmigkeitspraktiken wie die Verehrung von Heiligen, das Wetterläuten, Viehsegnungen oder Bittgänge eingedämmt.
Ultramontane Bewegung
In Teilen der Bevölkerung und des Klerus formierte sich Widerstand gegen diese Entwicklung. Aus der Unzufriedenheit über die Säkularisation, die staatliche Kontrolle der Kirche verbunden mit dem Zurückdrängen des päpstlichen Einflusses, die kirchlichen Reformprozesse und das Aufkommen des Liberalismus in Baden entstand die ultramontane, d. h. der römischen Kurie zugewandte Bewegung. Ihre Anhänger propagierten die Rückkehr zu Formen der Religionsausübung, die zu Zeiten der Gegenreformation praktiziert wurden. Rückhalt fanden sie bei Erzbischof Hermann von Vicari; er stand seit 1842 der Erzdiözese Freiburg vor, die nach der Auflösung des Bistums Konstanz gegründet worden war. Die ultramontane Bewegung erfuhr wachsenden Zulauf unter der katholischen Bevölkerung des Großherzogtums, zumal sogenannte Volksmissionen seit 1849 wieder zugelassen waren. Diese mehrtägigen Großveranstaltungen, eine Abfolge von Predigten, Beichten und Feiern, wurden von Ordenspriestern geleitet und sollten die Gläubigen zur Buße und Gottesfurcht führen. In der Folge wurden private Andachten abgehalten, man traf sich zum Rosenkranzgebet, Bruderschaften und katholische Vereine wurden gegründet, der Wunderglaube florierte. Gleichzeitig nahmen konfessionelle Konflikte zu. Der Richtungsstreit innerhalb der katholischen Kirche, in dem sich zuletzt die ultramontanen Vertreter behaupteten, wurde mit großem Einsatz publizistischer Mittel geführt.
Der sich Mitte der 1850er-Jahre zuspitzende Konflikt des Erzbischofs von Freiburg mit dem badischen Staat um Unabhängigkeit in der Besetzung der kirchlichen Ämter, der Verwaltung des Kirchenvermögens, der Ausbildung der Priester und der Schulaufsicht konnte durch das Kirchengesetz von 1860 vorläufig beigelegt werden. Mit dieser Kompromisslösung waren die Exponenten beider Seiten jedoch nicht zufrieden und so eskalierte bald der Streit um die Schulreform in Baden, die den Einfluss der Kirchen weiter beschränkte und von den ultramontanen Kreisen, aber auch von Anhängern der katholischen Aufklärung und des protestantischen Pietismus abgelehnt wurde. Die liberalen Kräfte setzten weitere Verordnungen und Gesetze gegen die Interessen der Ultramontanen durch, die ihrerseits vor allem die ländliche Bevölkerung mobilisierten und mit der Katholischen Volkspartei 1869 eine politische Vertretung etablieren konnten.
Mitte des 19. Jahrhunderts lässt sich ein deutliches Stadt-Land-Gefälle im sozialen und ökonomischen Bereich beobachten. Auch im einst vorderösterreichischen und daher katholisch geprägten Reute war die wirtschaftliche Situation vieler Familien prekär, die Zahl der Auswanderungen hoch. Dennoch gab die politische Stimmung in der Gemeinde in der ersten Phase des Kirchenstreits keinen Anlass zur Beanstandung seitens des Bezirksamts Emmendingen als Aufsichtsbehörde. Wie aus den Berichten im Rahmen der Ortsbereisungen hervorgeht, positionierte sich Pfarrer Friedrich Müller (1841-1865) zwar auf Seiten der Ultramontanen, Bürgermeister Peter Rich vertrat jedoch eine liberale Haltung.
Quellen und Literatur:
Interview mit Frau Rosa Pfefferle, Försterhaus Reute, Abteilung Heimatmuseum, vom 22.07.2020.
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